Sachsens Lehrer protestieren gegen Pläne des Kultusministers
Sachsens Lehrer protestieren gegen Pläne des Kultusministers

Sachsens Lehrer protestieren gegen Pläne des Kultusministers

Während in Sachsen die schriftlichen Abi-Prüfungen gestartet sind, herrscht in den Lehrerzimmern Empörung über ein Maßnahmepaket aus dem Kultusministerium. Nun wollen die Lehrkräfte ihren Unmut auf die Straße bringen – in Leipzig, Chemnitz und Dresden. „Ein Schlag ins Gesicht“, „ein Tritt in den Hintern“ seien die neusten Vorschläge gegen Unterrichtsausfall und Lehrermangel. Vor allem Ältere sind wütend – „wieder trifft es uns“, sagen sie MDR SACHSEN. Der Minister will bei seiner Line bleiben.

Der Sächsische Lehrerverband und die Gewerkschaft Erziehung (GEW) und Wissenschaft haben zu mehreren Protesten gegen die geplanten Maßnahmen des Kultusministeriums zur Unterrichtsversorgung aufgerufen. Beginn der Protestaktion ist am Dienstag in Leipzig. In den kommenden beiden Tagen sind Aktionen in Chemnitz beziehungsweise Dresden geplant – jeweils am Nachmittag nach Schulschluss.

Großer Aufreger: Abminderungsstunde erst ab 63

Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU) hatte Mitte März einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung vorgestellt. Die Pläne sorgten vor allem bei Lehrkräften für Unmut. Insbesondere die Verschiebung der Altersermäßigungen von 58 auf 63 Jahre stieß auf Kritik sowie die geplante Abordnung von Grundschul- und Gymnasial-Lehrkräften an Oberschulen. Künftig sollen Lehrkräfte erst ab dem 63. Lebensjahr eine Wochenstunde Ermäßigung – eine sogenannte Abminderungsstunde – erhalten.

Silke Mattes ist 58 Jahre und unterrichtet Biologie und Chemie an einem Gymnasium in Großenhain. Sie ärgert sich besonders, über diesen Punkt der 21 geplanten Maßnahmen, wie sie mit dem MDR sagte: „Es trifft schon wieder die Alten, die ältere Lehrergeneration, die schon so viel mitgemacht hat.“

Es trifft schon wieder die Alten, die ältere Lehrergeneration, die schon so viel mitgemacht hat.Silke Mattes Bio- und Chemielehrerin

21 Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall in Sachsen

Mit einem Bündel von 21 Vorschlägen will das Kultusministerium den Unterrichtsausfall in Sachsen halbieren. Ende Mai sollen die Vorschläge beschlossen werden. Für Ende April wurden Gespräche mit der GEW angekündigt. 

Lehrerin: „Es ist wie ein Tritt in den Hintern“

Nach Bekanntwerden des geplanten Maßnahmenpakets erreichten MDR SACHSEN weit mehr als 50 Zuschriften von Lehrerinnen und Lehrern aus Sachsen. Die meisten wollten ihren Namen nicht nennen und wenn überhaupt, nur anonym zitiert werden. Positives Feedback war nicht darunter, dafür viel Kritik. Auch ein Artikel, den das Sächsische Kultusministerium selbst auf seinem Blog zu den Vorschlägen veröffentlicht hat, wurde weit über weit über 100 Mal kommentiert, oftmals sehr ausführlich, meist anonym.

Eine Lehrerin aus einer Kleinstadt bei Dresden sagte MDR SACHSEN: „Die Maßnahmen treffen genau diejenigen, die man in den 1990er Jahren erst in Zwangsteilzeit geschickt hat, die also erstmal Einkommenseinbußen hatten und dadurch weniger Rente bekommen werden und denen man später aus Altersgründen die Verbeamtung verweigert hat.“ Seit 35 Jahren ist sie im Schuldienst und unterrichtet Fremdsprachen an einem Gymnasium. Die heute 59-Jährige sagt: „Es ist wie ein Tritt in den Hintern, zum wiederholten Male.“ Ihre drei Kolleginnen, die am Nachmittag ebenfalls in ihrer Küche sitzen, nicken zustimmend.

Als die Verbeamtung kam, hätten die vier noch gekämpft. Doch geholfen habe es nichts. Heute sitzen sie mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer, die im Monat zwischen 800 und 1.000 Euro netto mehr Geld in der Tasche haben, wie sie sagen.

Ich bin Lehrerin aus Leidenschaft, aber die Rahmenbedingungen machen mich krank!Lehrerin (61 Jahre) aus einer Kleinstadt bei Dresden

Dabei sind sie gerne Lehrerinnen. „Jeder Tag ist anders, steckt voller Überraschungen“, sagt eine der vier Lehrerinnen. Eine andere ergänzt: „Dieser Stolz, wenn die Schüler was geschafft haben, oder wenn sie mit ihren Sorgen und Nöten kommen, das berührt mich oder wenn sie nach dem Unterricht kommen und völlig unvermittelt einen Witz erzählen.“ Minutenlang schwärmen sie über die schönen Momente, doch dann wird es wieder ernst: „Ich bin Lehrerin aus Leidenschaft, aber die Rahmenbedingungen machen mich krank!“

Kritik: „Maßnahmen auch für Schüler schlecht“

Die Lehrerinnen appellieren an die Solidarität der Eltern: die Maßnahmen hätten auch Auswirkungen für ihre Kinder. „Kinder brauchen gesunde und motivierte Lehrer“, sagt eine Sport- und Geschichtslehrerin, die schon zu DDR-Zeiten unterrichtet hat.

Auch von der Idee, weniger Klausuren zu schreiben, halten sie wenig. Obwohl sie gerade durch die geringere Anzahl der Klausuren entlastet würden: „Wenn mal einer einen schlechten Tag hat, und eine Klausur verhaut, wie soll er die denn wieder ausgleichen?“ Ihre Kollegin ergänzt: „Die Leistungsüberprüfungen zu reduzieren bedeutet, dass wir überhaupt keinen Überblick haben über die Leistung der Kinder.“ Nur Dienst nach Vorschrift machen wollen sie nicht, sagen sie.

Verband fordert mehr Wertschätzung für Lehrkräfte

Lehrer und Gewerkschaften sehen in den Plänen einen „Affront gegen die Lehrkräfte und Schulleitungen“. Sie bedeuteten „eine erhebliche Mehrbelastung“ und werde von den älteren Lehrern als Missachtung ihrer langjährigen Leistungen empfunden. Der Lehrerverband fordert die Rücknahme der vorgestellten Pläne und schlägt stattdessen eine freiwillige Teilzeit von 58 Jahren sowie eine angemessene Bezahlung jeder Mehrarbeitsstunde vor, damit Lehrkräfte länger im Schuldienst bleiben.

Burghard Naumann, Vorsitzender der Gew Sachsen sagte dazu dem MDR: „Wir sehen das Problem, dass viele ältere Lehrkräfte ja im Schuldienst bleiben sollten, um eine bessere Unterrichtsabdeckung zu bekommen, man macht aber jetzt das Gegenteil: Man treibt sie schneller aus dem Beruf raus.“

Kultusminister Conrad Clemens will von seiner Linie nicht abweichen – trotz Protesten aus der Lehrerschaft.Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Minister verteidigt seine Linie

Sachsens Kultusminister Conrad Clemens hat die Verschiebung der sogenannten Altersermäßigung für Lehrer gegen Kritik verteidigt. Clemens sagte dem MDR, vor allem an Oberschulen im ländlichen Raum falle über 20 Prozent Unterricht aus. Bei der Verschiebung der Altersermäßigung gehe es darum, dass Lehrer an anderer Stelle entlastet würden, um sich dann auf den Unterricht zu fokussieren.

Laut Clemens wurden zum Winterhalbjahr 900 neue Verträge mit Lehrkräften, Seiteneinsteigern und pädagogischen Fachkräften abgeschlossen. Zudem gebe es so viele Bewerber wie noch nie.

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